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Mindful
Inquiry, 1st & 2nd Person Research, Achtsamer Phänomenologischer Dialog, Embodied Heartful Communication |
Mindful Inquiry
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„Nicht die Sinne täuschen uns, das Urteil
trügt.“
"Not the senses fool us, judgement does." J.W. von Goethe InteressentInnen an einem online-Praxiskurs zum Erlernen und Vertiefen des phänomenologischen Dialogs senden bitte eine email an nils.altner(at)uni-due.de. herzlichen Dank! Nils Altner: Prinzipien der verkörperten Gesprächsführung im achtsamen phänomenologischen Dialog In Achtsamkeitskursen werden verschiedene Meditationen unterrichtet wie z.B. der Body Scan, atemfokussierte Meditationen, das achtsame Hören, das Wahrnehmen von Gefühlen und Gedanken, offenes Gewahrsein, Yoga-Sequenzen, achtsames Essen, achtsames Gehen und achtsame Kommunikation. Ein wesentlicher Bestandteil des achtsamkeitsbasierten Unterrichtens ist zudem das Sprechen über Erfahrungen, die von den Teilnehmenden während der Meditationen gemacht wurden. Nach einem 45-minütigen Body Scans kann der Kursleiter z.B. fragen: „Was hast du in dieser Zeit bemerkt? Womit war deine Aufmerksamkeit beschäftigt? Welche Anteile der Zeit hast du dich schlafend, im Körper anwesend und in Gedanken erlebt?“ Dieses Erfragen und Versprachlichen innerer Erfahrungen lässt sich als leib-phänomenologisches Untersuchen des menschlichen Bewusstseins verstehen und folgt bestimmten Prinzipien oder Schritten. Die innere Haltung, die dem Führen dieser Dialoge zugrunde liegt, ähnelt der Haltung in der Meditation. Denn nicht die Objekte, die im Bewusstseinsraum wahrgenommen werden, stehen im Vordergrund der Wahrnehmung und Beschreibung, sondern der Bewusstseinsraum selber. Es findet dabei ein Wechsel statt, der einer Umkehr von Figur- zu Grundwahrnehmung ähnelt. So lenkt z.B. die Frage, „Welche Anteile der Zeit hast du dich während des Body Scan schlafend, im Körper anwesend und in Gedanken erlebt?“ die Aufmerksamkeit vom Erleben der Bewusstseinszustände wie Dösen, Schlummern, den Körper Spüren oder Gedanken denken auf die Ebene der räumlichen Metawahrnehmung, von der aus die KursteilnehmerInnen sich ihrer Bewusstseinszustände und dem Wechsel von einem zum anderen Zustand bewusst werden. Sie erleben und beschreiben z.B., dass während des geführten Body Scans ihre Aufmerksamkeit eine Zeit lang von ihrer Gedankenaktivität absorbiert war und sie dabei für diese Zeit weder die Stimme der Kursleiterin hören noch ihren Körper spüren konnten. Vielleicht können sie auch den Moment beschreiben, in dem sie sich dessen bewusst geworden sind und dann ihre Aufmerksamkeit wieder geöffnet haben für die anleitende Stimme und für das Spüren ihres Körpers. Da die Gesprächsführung beim achtsamen Erforschen solch innerer Erfahrungen in einigen Aspekten mit der Haltung übereinstimmt, wie sie die philosophische Schule der Phänomenologie nach Edmund Husserl kultiviert, nenne ich die Gesprächsform „phänomenologischer Dialog“. Die Formulierung der folgenden Leitprinzipien des achtsamen phänomenologischen Dialogs ist in einem mehrjährigen Prozess der Untersuchung meiner eigenen Erfahrungen als Lehrer und Supervisor während der Ausbildung von etwa 2.000 zukünftigen MBSR-LehrerInnen, GAMMA-Pädagogen und Mind-Body-Medicine-TherapeutInnen entstanden, die ich am Institute for Mindfulness-based Approaches (IMA) sowie an mehreren Hochschulen und Universitäten in Europa und den USA begleitet habe. Die folgenden Prinzipien sind das Ergebnis eines introspektiven Prozesses, in dem ich mich gefragt habe, was und insbesondere wie ich wahrnehme, reflektiere, plane und unterrichte. Meine Absicht, die Prinzipien schriftlich niederzulegen, ist es, didaktische und praktische Richtlinien für die Entwicklung von Dialogfähigkeiten bereitzustellen sowie zum kollegialen Austausch über die Kultivierung der verkörperten Kommunikation in Bildungssettings beizutragen. Prinzip 1: Den Rahmen setzen und innerlich bewusst auf das Verbundensein einstellen Prinzip 2: Nach den Phänomenen der Empfindungen fragen, geleitet von den eigenen Empfindungen Prinzip 3: Verlangsamen, fokussieren und vertiefend bei den gegenwärtigen Empfindungen bleiben Prinzip 4: Beobachten, was auftaucht, Anspannung reduzieren, atmen und auf somatische Marker warten Prinzip 5: Versuchen, mit dem/der GesprächspartnerIn in ihrer/seiner Welt zu sein Prinzip 6: Offen sein für die gemeinsame Erfahrung und sich ihr hingeben Prinzip 7: Dankbarkeit ausdrücken Prinzip 8: Stille willkommen heißen Neues Bewusstsein wächst im Lichte unserer Aufmerksamkeit an den Rändern unserer Wahrnehmung. Hier finden wir buchstäblich unsere „growing edges“. Auf Achtsamkeit und Mitgefühl basierende Bildungsprogramme bieten ideale Voraussetzungen für solche „inneren“ Wachstumsbewegungen, wenn wir den Boden dafür bereiten. Wichtig dafür ist eine sichere Gruppenatmosphäre, die von Vertrauen, Offenheit, Interesse und Wertschätzung geprägt ist. Dann kann erlebt werden, dass die oft gewohnte kommunikative Haltung, die auf Verteidigung und/oder auf das Erreichen persönlicher Vorteile gegenüber den anderen ausgerichtet ist, nicht mehr erforderlich ist. Das wird oft als sehr entlastend erlebt, wie wenn ein permanenter Grundton, an den die Wahrnehmung sich gewöhnt hat, plötzlich verstummt. Dann entsteht wohltuende Stille und ein Raum öffnet sich. In diesem Wahrnehmungs- und Gestaltungs- (Spiel)Raum kann es dann zu einer Verschiebung der kommunikativen Grundintention kommen, indem die Ausrichtung auf egozentrisch kalkulierte Vorteile (vgl. Habermas 1981, S. 131: „egozentrisches Nutzenkalkül“) zurück tritt. Stattdessen wird das anthropozentrische Interesse an den inneren Dimensionen des gemeinsamen Menschseins in der Gruppe geweckt. Während dieses Prozesses kann sich eine Verschiebung an der Basis des Selbstgefühls vom Selbstwert (self-esteem) zum Selbstmitgefühl (self-compassion) entwickeln (Neff und Vonk, 2008). Die Neurowissenschaften interessieren sich für die Veränderungen, die während der Meditation im Gehirn auftreten. Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass verschiedene Netzwerke im Gehirn aktiv sind, wenn eine Person ihre Aufmerksamkeit absichtlich auf aktuelle Momentempfindungen und den Bewusstseinsraum konzentriert im Vergleich zu unbeabsichtigten quasi-automatischen objekt-fokussierten mentalen Aktivitäten. Die Verlagerung vom auto-pilothaften so genannten "Default Mode Network" zum intentionalen Ansprechen des "Salience Networks" und des somatosensorischen Kortex scheint eine neurologische Entsprechung für den Wechsel vom nicht-achtsamen zum achtsam präsenten Modus zu sein (Lutz et al., 2019). Die soziale Dimension Wenn wir innerpsychische Gewohnheiten und Fähigkeiten als eine Basis für die Ausprägung und Gestaltung von Kommunikation, Beziehung, Kooperation, Engagement und Kultur verstehen, erhält die Kompetenz zum miteinander Sprechen aus einer achtsamen Haltung und der im gegenwärtigen Moment verkörperten Präsenz heraus eine starke soziale Relevanz. Während das Bewusstsein im Default Modus im Wesentlichen mit dem Erhalt und dem diskursiven Fortschreiben der Geschichte des Selbst beschäftigt ist, öffnet sich im achtsamen Präsenzmodus der Bewusstseinsraum und das Selbst als bisheriges Zentrum tritt zurück (Brewer et al., 2011). Die sprachliche Aktivität, die hier entstehen kann, hat deskriptive Qualitäten, ist empfänglich für Intuition, kann das Einfühlen in andere Menschen ausdrücken und eröffnet poetisch gestaltende Möglichkeiten. Aus der Perspektive der Persönlichkeitsentwicklung spricht einiges dafür, dass mit der Kultivierung der achtsamen Präsenz Persönlichkeitseigenschaften und die Grundhaltung einer Person sich von einem vorrangig egozentrisch fokussierten Wahrnehmen, Kommunizieren und Handeln zu einem zunehmend anthropozentrischen und unter Umständen auch ökozentrischen Habitus entwickeln. Der paradigmatische Wechsel von einer Kommunikationskultur, die v.a. auf egozentriertem Vergleich und Wettbewerb beruht, hin zu einer Kultur des ehrlichen Interesses an einander, wo co-kreatives Gestalten möglich wird, ist zugleich die Voraussetzung und das Ergebnis von Gruppenprozessen, die Zeit und Aufmerksamkeit für achtsame und präsenzbezogene Introspektion und Kommunikation aufwenden. Werden solche Prozesse am Arbeitsplatz ermöglicht, können sie neben der individuellen Entwicklung auch organisationale und Kultur-Veränderungen an Schulen (Altner et al., 2018), Universitäten (Dievernich et al., 2019) und in Unternehmen (Laloux, 2015) ermöglichen. Die Rolle der FacilitatorInnen ist dabei entscheidend, da sie die „neuen“ und notwendigen Eigenschaften verkörpern und so die Gruppenkultur im Sinne des Ermöglichens der Aus-Bildung vorhandener Potentiale prägen können. Autoren wie Lieb (2018) diagnostizieren, dass sich in vielen Bildungskontexten aufgrund jahrzehntelanger neoliberaler Prägungen, durch unablässiges Vergleichen und Konkurrieren eine Kultur entwickelt hat, die viele junge Menschen davon abhält, ihre inneren Fähigkeiten zu entwickeln, sich selbst zu spüren, für sich selbst zu sorgen und sich einander zuzuwenden, um gemeinsame Werte, Interessen, Fähigkeiten und engagiertes transformatives Handeln zu entwickeln. Angesichts der enormen sozialen und ökologischen Herausforderungen ist dies drängender denn je not-wendig. Die Kultivierung introspektiver Fähigkeiten und Bildungsangebote für die Ent-Wicklung eines ego- und ethnozentrischen Habitus zu einer anthropo- und ökozentrischen Haltung können in diesem Sinne transformativ kulturprägend wirken. In diesem Kontext eröffnet die achtsam verkörperte Gesprächsführung in Form phänomenologischer Dialoge als soziale Praxis Entwicklungsräume, die weit über die Grenzen der zurecht kritisierten individualistischen achtsamkeitsbasierten Stressbewältigung hinaus reichen. Ein vollständiger Artikel mit umfangreichen Beispielen und Literaturhinweisen wird in Kürze veröffentlicht. Nils Altner: Principles of Embodied Inquiry in Mindful Phenomenological Dialogues An integral part of teaching mindfulness-based interventions is leading in-depth dialogues with participants about experiences they had during meditation practices and while becoming aware of the present moment during their daily life. The practises taught consist of body-focussed meditations like the body scan, meditations focussed on breath, hearing, feelings and thoughts and on open awareness, yoga sequences, mindful eating, mindful walking, mindful communication and other daily activities as well as home experiments and group sharings. After practising a 45 minute Body Scan the fascilitator might e.g. ask the group: „What did you notice about your wakefulness during this time? How much of the time did you find yourself sleeping, how much being present in your body and how much thinking thoughts?“ The way, in which group fascilitators elicit verbal expressions of internal experiences constitutes a mindfulness practice in itself. It resembles microphenomenological explorations (Petitmengin, 2006) into human consciousness and likewise follows certain principles. As part of the training of MBSR teachers, this form of inquiry is taught, practised, supervised and refined. The formulation of the guiding principles has emerged in an ongoing several year long process of self-inquiry into my own experiences as teacher and supervisor while training future MBSR teachers, GAMMA educators and Mind-Body-Medicine instructors/therapists at the Institute for Mindfulness-based Approaches (IMA) and at several universtities in Europe and the US. Thus, the principles are a product of a self-inquiring process, in which I have been continously asking myself, about what and especially how I notice, reflect, plan and teach. My intention for putting the principles into writing is to provide didactic and hands-on guidelines for developing the skill as well as to contribute to the meta-inquiry process and colleagual exchange about the cultivation of 1st person introspective modalities of embodied communication within settings of education and human development. Principle 1: Set the frame and commit to connection Principle 2: Ask about sensations guided by your own Principle 3: Slow down, focus and zoom into present sensations Principle 4: Notice what emerges, reduce tension, breathe and wait for somatic markers Principle 5: Aim to be with the other in their world Principle 6: Open for and surrender to shared experience Principle 7: Express gratitude Principle 8: Treasure Silence New awareness grows in the light of our attention at the edges of our perception. Here we literally find our „growing edges“. Mindfulness- and compassion-based educational programs are ideal settings for such „inner“ growth movements to occur, if we prepare the ground for them. Within the mutually agreed upon group atmosphere of nonthreatening safety, trust, openness, interest and appreciation the nessessity to maintain the oftentimes habituated communicative attitude to defend and/or achieve personal advantages against the others can be experienced as not neccesary any more. Here a cultural shift of the communicative intention can occur from wanting to gain egocentrically calculated advantages (compare Habermas, 1981, S. 131: „egozentrisches Nutzenkalkül“) to a more anthropo-centric interest in the interior dimensions of the shared common humanity within a group. During this process a shift at the base of self-worth may develop from self-esteem to self-compassion (Neff and Vonk, 2008). Neuroscience has been interested in the shifts, that occur within the brain during meditation. There is growing evidence to suggest that different networks in the brain are active, when a person intentionally focusses her or his attention on present moment sensations compared to unintentional states of mind. The shift from unintentionally engaging the so called ´Default Mode Network´ to intentionally activating the ´Salience Network´ might correlate to some degree with a personality development from mostly egocentered cognition, communication and action to a more ethno- or anthropo-centered and eventually a global eco-centered habitus. The paradigmatic shift from a communicative culture, based on ego-centered comparism and competition to a culture of getting to know each other and of co-creatively exploring, and growing together, both is the prerequisit and the outcome of a group process, that devotes time and attention to mindful in-depth inquiries. If such interventions are put into work place settings, they can in addition to individual development also inform organisational change in schools (Altner et al., 2018), universities (Dievernich et al., 2019) and in corporations (Laloux, 2015). The role of the facilitator here is crucial, as she or he can embody these „new“ and nessecary qualities and thus inform group culture. Authors like Lieb (2018) voice concern that in many educational settings due to decades of neo-liberal assessing, comparing and competing a culture has developed, that leads too many young people away from cultivating their inner capacities of sensing themselves, caring for themselves and each other, developing heart-felt interests, passions and skills, critical thinking, seeing themselves as part of the larger human and ecological whole, that urgently needs to solve ecological and social problems. Gaining and sharing meaningful insights into our own psyche and into each other´s within settings of safety, compassion, humor, trust, respectful interest and appreciation can strengthen core qualities of being human. In our times of current existential, psychological, social, political, ecological and spiritual challenges people, who are committed to and are able to embody humane values can contribute to the development of these dimensions of society through the stages from ego-centrism, ethno-centric to anthropo- and eco-centric perspectives and actions. Fascilitating engaged communication and action in this sense helps to transcend the limitations of individualized mindfulness-based interventions. A full paper with many examples and literature references will be published soon. |
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